Die Verantwortung: Militär, Krieg und die Klimakatastrophe

Erste Rede in der Bürgerschaft 22. Wahlperiode am 10. Juli 24

Weder Senat noch die Linksfraktion haben konsequent den Klimaschutz im Blick: Militär und Kriege verursachen zwischen 5,5 und 30% der CO2 Emissionen

„Richtig ist: das Klima wartet nicht. Die Stadtentwicklungspolitik und die Verkehrspolitik des Senats sind nach wie vor klimaschädlich und an vielen Punkten zu kritisieren. Allerdings hat auch die Linksfraktion bisher kein konsistentes Konzept für die Verkehrspolitik vorgelegt, sondern nur Teilkritik und bruchstückhafte Lösungsvorschläge – oft nicht weit genug gedacht oder ohne gleichberechtigte Berücksichtigung aller Verkehrsteilnehmer_innen“, kritisiert der fraktionslose Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft, Martin Dolzer.

„Nicht zielführend und undifferenziert ist auf jeden Fall, dass in der Diskussion um die Klimakatastrophe meist die Individuelle Verantwortung oder die Verantwortung der Bundes- und Landesregierungen lediglich im zivilen Bereich im Mittelpunkt der Debatte steht – und nicht auch die immense Verantwortung des Militärs und die verheerenden Auswirkungen von Manövern und Kriegen in der öffentlichen Diskussion einen angemessenen Raum bekommen.“

Es wären nicht nur die oberflächlich betrachteten Momente der Stadtentwicklung und der Verkehrspolitik die ein Bundesland wie Hamburg und seine Infrastruktur prägen würden, sondern auch die gesamtwirtschaftliche und gesamtstrategische Ausrichtung der Landespolitik. All diese Aspekte seien politisch steuerbar und würden politisch gesteuert. Darüber hinaus habe Oxfam gerade in einer Studie belegt wie die Klimakrise und extreme soziale Ungleichheit eng miteinander verwoben sind und zu Recht gefordert, dass die Länder und Konzerne für ihre aktuellen und historischen Emissionen in die Verantwortung zu nehmen seien und insbesondere auch die Reichen und Superreichen, die durch extremen Konsum, klimaschädliche Investitionsentscheidungen und politische Einflussnahme stark zur Klimakrise beitragen.

Dolzer: „Das gilt auch für die Rolle von Militär und Rüstungsindustrie in Hamburg. Das ist bei Weitem keine reine Bundessache und wirkt sich schädlich auf das Klima aus. In Hamburg produzieren mehr als 100 Betriebe Rüstungsgüter, die Bundeswehr hat mit der Universität und der Führungsakademie zentrale Schaltstellen in Hamburg. In der Wissenschaftspolitik spielt die Dual-Use Forschung (Forschung in der zivil-militärischen Grauzone) eine immer größere Rolle.In den Schulen machen Bundeswehroffiziere immer offensiver Werbung für die Bundeswehr. Der Hamburger Hafen ist eine Schnittstelle der bundesdeutschen und europäischen Rüstungsindustrie. Also trägt Hamburg auch zu Militarisierung, Manövern und weltweiten Kriegen bei. Kriege tragen neben dem menschenverachtenden Sterben in ihnen auch entscheidend zum Klimawandel bei und verursachen so indirekt den Tod von Menschen rund um den Globus durch Hitzestress, Wassermangel, Überschwemmungen, Mangelernährung, aber auch durch die Zunahme von durch Tiere auf Menschen übertragbare Krankheiten und weitere Faktoren. Wenn die Militärs der Welt ein Land wären, hätten sie den viertgrößten CO2-Fußabdruck weltweit.“

Eine neue Studie von Stuart Parkinson (Scientists for Global Responsiblity, SGR) und Linsey Cottrell (Conflict and Environment Obervatory, CEOBS) ergibt, dass 5,5 Prozent der globalen CO2-Emissionen direkt den Militärs der Welt- und der Rüstungsindustrie zuzurechnen sind. Nimmt man die Auswirkungen von Manövern und Kriegen dazu, kommt man sogar auf rund 30%.

Das Verteidigungsministerium der USA zum Beispiel ist der größte Verbraucher von Erdöl in der Welt und der größte Emittent von Treibhausgasen. 2017 war der Ausstoß größer als der von Industrieländern wie Schweden oder Portugal. Das Pentagon und die gesamte US-Rüstungsindustrie zusammen stoßen mehr CO2 aus als Argentinien.

Auf Kleine Anfragen der Abgeordneten Sevim Dagdelen im Bundestag in Bezug auf den Co2 Fußabdruck der Bundeswehr gibt die Bundesregierung regelmäßig die gleiche nicht-Auskunft: „Auskunft in der jeweils gewünschten Detailtiefe ist weder in der Aufschlüsselung nach Gerätetyp noch für die abgefragten Zeiträume möglich. Daten dazu werden statistisch in der Bundeswehr nicht erfasst.“

Expert_innen haben ermittelt, dass der Kampfjet Tornado, den die Bundeswehr im Krieg in Afghanistan und zur Luftraumüberwachung in Syrien einsetzte, verbraucht pro Flugstunde durchschnittlich 4000 kg Kerosin und stößt dabei etwa 13.000 Tonnen CO2 aus. Das entspricht dem Ausstoß von 93.000 Kleinwagen auf 100 km. Der Eurofighter der Bundeswehr hatte 2018 ca. 10.480 reale Flugstunden. Das entspricht einem CO2-Ausstoß von 115.280 t CO2. Um diese Menge in einem Jahr zu kompensieren, würden 9.222.400 Bäume gebraucht. Das entspricht einer Waldfläche von 1.137 ha oder 1.592 Fußballfeldern. Der Kampfpanzer Leopard II verbraucht auf 100 km etwa 530 Liter Diesel – so viel wie 100 Kleinwagen. Die 14 Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland kosten jährlich 800 Millionen Euro. Für dieses Geld könnte man mindestens 100.000 Wohnhäuser mit Solarthermie-Anlagen ausstatten.

„Insgesamt gesehen sind die Daten für militärische Treibhausgasemissionen oft unvollständig, sie werden in allgemeinen Kategorien versteckt, oder gar nicht erst erhoben. In den Berichten der Länder gemäß der Klimarahmenkonvention UNFCCC klaffen große Lücken. Im Kyoto-Protokoll und den anderen UN-Klimadokumenten einschließlich der Charta von Paris wurden die militärischen Treibhausgasemissionen von den Regierungen, auf Druck der Nato-Staaten, allerdings absichtlich ausgeklammert und in Statistiken nicht extra ausgewiesen. Treibhausgase von Militärflugzeugen und -fahrzeugen werden dem Verkehr zugerechnet. Treibhausgase, die aus der Kriegswaffenproduktion kommen, werden der Industrie zugeschrieben. Diese Praktiken sollten ein Ende haben. Wichtig ist es vielmehr Transparenz herzustellen in Bezug auf die Klimaschädigung durch Militär, durch Manöver und durch Krieg“, fordert der Abgeordnete.

„Zum Klimaschutz gehört deshalb auch sich entschlossen für sofortige Waffenstillstandsverhandlungen in der Ukraine in Israel/Palästina und den weiteren weltweiten Kriegen einzusetzen. Dazu gehört dann auch den Hamburger Hafen zu einem zivilen Hafen zu machen und die Konversion der Rüstungsindustrie in den zivilen Bereich“, so Dolzer abschließend.

Kein Forum für Rechtsextreme und Faschist_innen in der Hansestadt

Die Veranstaltung des rechtsextremen Asow-Regiments am 26.07.2024 in Hamburg hat keinen Platz in einer Demokratie

Am 26.07.2024 findet eine Veranstaltung von Soldat_innen des Asow-Resigments in Hamburg statt. „Das Asow-Regiment ist nach wie vor eine rechtsextremistische Organisation und verherrlicht den Nationalsozialismus. Darüber kann aller Versuch des Greenwashings nicht hinwegtäuschen. Dass ein solche Organisation in Hamburg eine Veranstaltung zur Eigenwerbung und Rekrutierung von neuen Mitgliedern durchführen will, ist historisch und rechtlich mehr als bedenklich. Der Senat ist gefragt alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen, um eine solche Veranstaltung zu verbieten“, fordern die fraktionslosen Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft Mehmet Yildiz und Martin Dolzer.

Ein Waffenverbot für Asow war im Jahr 2018 in den USA im Rahmen eines Gesetzespakets mit der Begründung erlassen worden, dass es sich beim Asow-Regiment um eine ultranationalistische Organisation, die offen Neonazis in ihre Reihen aufnimmt, handelt. Zudem haben sowohl Human Rights Watch als auch Amnesty International über „glaubwürdige Vorwürfe“ von „Folter und anderen ungeheuerlichen Misshandlungen“ durch Asow und andere Freiwilligeneinheiten berichtet. Auch Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen haben der Gruppe seitdem mehrfach humanitäre Verstöße vorgeworfen.

„Die Verbindungen des Asow-Bataillons zu rechtsextremen und quasifaschistischen Persönlichkeiten und Nazisymbolen sind in den westlichen Medien gut dokumentiert. Seit 2022 hat das Asow-Regiment sein Erscheinungsbild zwar oberflächlich geändert und wurde in die reguläre ukrainische Armee eingegliedert. Die Asow-Soldat_innen verfolgen jedoch nach wie vor eine rechtsextreme Ideologie und schmücken sich mit faschistischen Symbolen wie der Wolfsangel und der Schwarzen Sonne. Die Ideologie von weißer Vorherrschaft und Neonazismus, die vom Asow-Regiment nach wie vor vertreten werden, sind inakzeptabel und haben keinen Platz in einer demokratischen Welt,“ erklärt Martin Dolzer.

„Kürzlich wurde das Waffenlieferungsverbot gegen Asow in den USA aufgehoben. Das zeigt lediglich, dass die USA und die EU mittlerweile bereit sind selbst die Prinzipien des Antifaschismus aufzugeben, damit die ukrainische Armee im nicht gewinnbaren Stellvertreterkrieg gegen Russland weiter Soldaten verheizen kann. Es besteht die Gefahr, dass jede künftige ukrainische Regierung, die einen Kompromissfrieden mit Russland schließen will, wahrscheinlich mit bewaffneten Protesten von Asow und anderen rechtsextremen Gruppen konfrontiert sein wird. Das kann dann eine echte Gefahr für den ukrainischen Staat darstellen , so wie es bereits 2014 der Fall war.“, betont Mehmet Yildiz.

Die 3. Sturmbrigade in der das Asow Regiment organisiert ist, inszeniert sich bis heute als historischer Erbe des Bandera-Flügels der faschistischen Organisation Ukrainischer Nationalisten und deren bewaffneten Arm, der Ukrainischen Aufständischen Armee, die einst zu den willigsten Helfern beim Holocaust und im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion zählten. Weiterhin bewundert werden von Soldat_innen des Asow-Regiments auch Hitlers Elitekrieger: Diverse Symbole der 3. Sturmbrigade sind in Anlehnung an die Insignien der Waffen-SS gestaltet, eines sogar nach dem Truppenkennzeichen der 36. Waffengrenadierdivision Dirlewanger, die für massive Kriegsverbrechen berüchtigt ist.

Deutlich wurde die rechtsextremistische und offen menschenfeindliche Kontinuität zuletzt dadurch, dass ein Soldat des Asow-Regiments bei einem Besuch der Gedenkstätte Auschwitz im Juni 2024 auf seinem Instagram-Account ein T-Shirt der russischen Band M8l8th mit dem Ausspruch „Where we are, there is no place for anyone else“ („Wo wir sind, ist kein Platz für irgendjemand anders“) postete. Historiker schreiben das Zitat Adolf Hitler zu. Der ausgeschriebene Name der Band lautet „Molot Gitlera“ und bedeutet „Hitlers Hammer“. Auf einem weiteren von dem gleichen Soldaten hochgeladenen Bild steht er vor einem Bildschirm, auf dem ein Zitat Hermann Görings zu sehen ist, in dem er Ehen zwischen Menschen jüdischen Glaubens und Deutschen verurteilt. Die Freundin des Soldaten kommentiert das Bild mit den Worten „Gott sei Dank bin ich keine Jüdin“. Der Soldat antwortet darauf mit einem weißen Herz.

Mit der Veranstaltung in Hamburg und einer damit zusammenhängenden Europatour verfolgt Asow dem Aufruf gemäß das Ziel, „Fans im Ausland zu treffen“. Aus der Ankündigung geht zudem hervor, dass Geldakquise und Werbung für das Branding von Asow – mit eigenen Filmproduktionsfirmen, Modelabels, Verlagen und einer Netflix-Serie geplant ist. In dem Aufruf heißt es an ukrainische Geflüchtete in Deutschland gerichtet: „Wir wissen, dass ihr die Heimat vermisst. Ihr könnt euch unseren Reihen anschließen.“ Asow hat sich mit einem Ableger von „Centuria“, einer der größten Neonaziorganisationen der Ukraine, deren militärischer Arm ebenfalls in die 3. Sturmbrigade eingegliedert ist, bereits in Magdeburg verankert.

In Hamburg wird die Veranstaltung am 26.07.2024 vom Verein „Feine Ukraine“ organisiert.

„Wir haben am Freitag eine Schriftliche kleine Anfrage (siehe Anhang) zu der Veranstaltung eingereicht und fordern vom Senat eine klare Haltung gegen Faschismus“, so Yildiz und Dolzer. „Hamburg kann seiner Verantwortung für den Frieden nur gerecht werden, wenn Propaganda für den Krieg und Werbung für rechtsextreme Organisationen unterbunden wird und der Senat sich für einen Dialog und sofortigen Waffenstillstand engagiert.“

Die beiden Abgeordneten abschließend: „Rechtsextreme und Faschist_innen dürfen in der Hansestadt kein Forum bekommen. Das gilt erst recht, wenn ein deklariertes Ziel die Rekrutierung für den Krieg in den Reihen der Organisation ist.“

Schriftliche kleine Anfrage zum Thema 

Sprung in tödliches Abenteuer

Senat muss Bundeswehrwerbung im Kaifu-Freibad stoppen

Seit einigen Tagen hängt am Sprungturm des Kaifu-Freibades in Eimsbüttel ein Werbe-Transparent mit der Aufschrift „Karriere Sprung – Marine kann Meer“ und einem Kriegsschiff in der Mitte.

„Ein Schwimmbad dient dem Schwimmenlernen und dem Freizeitvergnügen. Im Kaifu-Freibad halten sich regelmäßig auch kleine Kinder und Jugendliche auf und sind dann zwangsläufig mit dieser zynischen Bundeswehrwerbung konfrontiert. Soldat_innen der Bundeswehr waren seit deren Existenz dem Tod auf dem Schlachtfeld nie so nahe wie heute. Kluge junge Menschen wissen, dass sie fallen können, während die Aktienkurse der Rüstungsindustrie steigen. Der Bundeswehr fehlen Menschen, die gewillt sind in den Krieg zu ziehen und zu sterben. Eine Mehrheit der Menschen in diesem Land und in Hamburg sind nach wie vor friedenstüchtig. Regelmäßig sprechen sich Befragte mehrheitlich für Diplomatie statt Kriegseskalation aus. Um das zu verändern unternehmen Bundeswehr und Verteidigungsministerium immer skurilere Schritte und breit angelegte Werbekampagnen. Der Senat ist in der Verantwortung die zynische Kariieresprung-Kampagne sofort zu stoppen, denn Bäderland ist in öffentlicher Hand“, erklärt der fraktionslose Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft, Martin Dolzer.

Mehmet Yildiz, ebenfalls fraktionsloser Abgeordneter in der Hamburgischen Bürgerschaft, betont, „die Badegäste aus dem Stadtteil fühlen sich zu Recht belästigt von dieser Verrohung der Rekrutierungsmethoden der Bundeswehr, die ihre Fregatten sogar ins Südchinesische Meer und vor die Küste des Gazastreifens schickt. Längst gilt die Beschränkung des Auftrags der Bundeswehr auf die Landesverteidigung nicht mehr. Deutsche Soldat_innen haben in Afghanistan ihr Leben verloren und sind nicht nur als Ausbilder auch am Krieg in der Ukraine beteiligt. Die NATO war es die mit dem Krieg in Jugoslawien als erste Macht erneut in Europa Krieg führte. Wir benötigen diplomatische Initiativen, anstatt eine weitere Militarisierung der Gesellschaft und weltweiter Eskalation. Als Sportausschuss-Mitglied der Bürgerschaft kann ich nur sagen: Bundeswehr und Schwimmsport sind wie Feuer und Wasser.“

„Es sind auch viele Migrant_innen, die das Kaifu-Bad nutzen. Menschen die gerade aus dem Krieg kommen, können durch die martialische Werbung retraumatisiert werden. Es ist unglaublich, dass der Senat nach den Anwohnerprotesten seine Bäderland-Chefs noch nicht angewiesen hat die Werbebanner in der Freizeitoase Kaifu-Bad zu entfernen. Die Jugend will nicht sterben sondern schwimmen. Vom Preis eines Kriegsschiffes können viele Schwimmbäder gebaut werden, die wir dringend bräuchten weil immer mehr Grundschulabsolventen nicht schwimmen können. Unsere Kinder und Jugendlichen leiden unter hohen Eintrittspreisen. Mit einem Bruchteil der Ausgaben für Hochrüstung und Kriegsunterstützung wäre freier Eintritt für alle möglich und es gäbe einen Ansturm auf neu zu bauende öffentliche Schwimmbäder und nicht auf vermeintliche Feinde“, kritisiert der fraktionslose Abgeordnete Metin Kaya.